3. Normativität und Moralität
Worin besteht nun der Zusammenhang zwischen Narrativität und Moralität? Als erste einfache Antwort kann auf Vorbilder in Erzählungen verwiesen werden, welche exemplarisch handeln. Der Zusammenhang wird jedoch Komplexer, wenn man die Narration als Begriff der Lebenspraxis auffasst, was der Autor tut.
Erzählte Narrationen und erlebte Geschichten
Eine Narration ist eine erzählte Geschichte. Bei der Anwendung auf das Leben trifft man auf zwei Extrempositionen. Die erste geht von einer nachträglichen Konstruktion aus, da im wirklichen Leben keine narrative Ordnung besteht. Im Gegensatz dazu versteht die zweite Position narrative Strukturen als Teil des täglichen Lebensvollzugs und damit als Teil der Praxis.
Norbert Meuter schlägt einen Kompromiss zwischen den beiden Extremen vor. So sind Handlungen zwar immer zielgerichtet und spielen sich in Kontexten ab, jedoch muss trotzdem eine narrative Verstoffwechslung erfolgen.
Subjektivität / Kontextualisierung
Wie kann man nun zur Beurteilung einer narrativen Ethik kommen? Zu erst muss der Mensch als Effekt der Geschichten in die er verstrickt ist begriffen werden. Dies bedeutet im gleichen Zug, dass nur ein gewisser Grad an Kontrolle besteht. Somit kann ethische Verantwortung nur im Kontext einer konkreten Geschichte beurteilt werden und nicht allgemein.
Emotionalität / Symbolisierung
Eine Narration kann als präsentative Symbolisierung begriffen werden, die der Emotionalität Ausdruck verleiht. Moral ist folglich nicht zu verstehen als Ansammlung kognitiver Konstrukte, sondern als Abstraktion emotionaler Zustände. Diese Abstraktion in Form einer Narration ermöglicht einen reflektierten Umgang und verhindert so, dass Emotionen unbedacht ausagiert werden.
Kontingenz / Perspektivität
Kontingenz bedeutet Perspektivität, also die Möglichkeit anderer und wechselnder Perspektiven. Empathie und Identität bedingen einander. Beides wird durch Narrationen ermöglicht und ist Notwendig für jede Moral. Geschichten bieten diese Perspektiven an und hinterfragen somit ständig Normalität und Tradition.
Der hier besprochene Artikel Identität und Empathie von Norbert Meuter stammt aus dem von Karen Joisten herausgegebenen Sammelband Narrative Ethik; Das Gute und das Böse erzählen(*).
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