Facebook als Teil von jener Kraft, die stets die Einheit will und stets nur Zwiespalt schafft?

Lesedauer: 4 Minuten

Die von Facebook angestrebte Einheit

Facebook verbindet die Welt und löst damit gleichzeitig den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf. Zu dieser paradoxen Beschreibung kommt Siva Vaidhyanathan in seinem Buch Anti-Social Media1. Gerade im Kern der Widersprüche zeigen sich jedoch meist die entscheidenden Vorgänge eines Prozesses. Warum trägt die selbst auferlegte Mission die Welt näher zusammen zu bringen, dazu bei, Gesellschaft zu spalten und Vertrauen in etablierte Institutionen aufzulösen?

Die Idee hinter Facebook scheint auf den ersten Blick unschlagbar simpel: Je mehr Menschen miteinander in Austausch treten, desto stärker rückt die Menschheit zusammen. Politiker kommunizieren mit Bürgern und stärken so die Demokratie. Für Familien und Freunde wird es leichter, in Kontakt zu bleiben, weshalb enge Beziehungen noch enger werden. Reisebekanntschaften können vertieft werden, selbst wenn man sich wieder zu Hause auf der anderen Seite der Welt befindet. So wächst das Verständnis und die Akzeptanz für fremde Kulturen. Wichtige Ereignisse verbreiten sich anhand dieser Strukturen schnell über die ganze Welt und sorgen für weltweite Solidarität und Zusammenhalt. Minderheiten fällt es leichter, andere in ähnlichen Lagen zu finden und sich Gehör zu verschaffen. Probleme werden geteilt und Lösungen dafür angeboten, so verbessert sich das Leben von jedem Einzelnen dank Facebook.

So einfach scheint die Welt zu funktionieren, betrachtet man viele der Äußerungen von Mark Zuckerberg. Aus einer Perspektive betrachtet, in der die Sprache der Software die Sprache der Problemlösung ist, mögen alle auftretenden Widersprüche nur auf Fehler im Code verweisen. Dass die durch Programmieren geschulte Denkart jedoch bereits diese Paradoxie hervorruft, indem das Denken von Widersprüchen konsequent vermieden wird, kann so gar nicht in den Blick geraten.

Damit begründet sich das Verfehlen des Ziels der Einheit von Facebook dadurch, dass sie mit den Mitteln umgesetzt werden soll, die diese Einheit bereits voraussetzten. Wäre dies der Fall, dann bräuchte man jedoch auch kein Facebook. Diversität funktioniert in einem solchen System nur, wenn alle dieselbe Sprache 2 sprechen. Innerhalb eines Systems, das eine Sprache voraussetzt, kann man sich jedoch nicht auf eine gemeinsame Sprache einigen. Genauso wenig, wie man sich auf der Grundlage einer logischen Argumentation auf die Gültigkeit einer solchen verständigen kann.

Um eine gemeinsame Grundlage zu finden, ist es notwendig die Widersprüche aufzudecken. Davon ausgehend kann man sich im Diskurs gemeinsam auf eine höhere Ebene zu begeben.3 Genau das ist der Prozess, der für die Ziele von Facebook nötig ist, jedoch davon unterbunden wird. Weiter noch: Das Entwickeln einer solchen Diskursform, wird in dem Ausmaß eingeschränkt in dem sich der Austausch anhand von Facebook ausbreitet und stellt daher nicht nur einen nicht funktionierenden Lösungsansatz dar, sondern drängt gleichzeitig die bisher funktionierenden Formen zurück.

Widersprüche sind konstitutiv für Zusammengehörigkeit. Jedoch nur dann, wenn sie in einem Rahmen ausgetragen werden, der es erlaubt, diese zu transzendieren. Wen in der Kommunikation jedoch stets eine dritte Partei die Argumente nach kommerzieller Verwertbarkeit sortiert, ist es chancenlos.

Der von Facebook erzeugte Zwiespalt

Zwar entstehen auch so connected people, jedoch ist diese Diskursweise nicht wahrheitsfähig (vgl. Vaidhyanathan 2018 S. 12ff.). An dem Punkt der Wahrheitsfähigkeit kommt die Logik von Facebook zum Tragen, die im Widerspruch steht mit den Bedingungen zur Wahrheitsfindung.

So trennt und verbindet Facebook Menschen in gleichem Maße (vgl. ebd. S. 4). Die Gründe für die Trennung liegen in den Rahmenbedingungen der Kommunikation, die von Facebook gesetzt sind und selbst nicht als Gegenstand des Diskurses wirksam verändert werden können.

  • Die Verbreitung falscher oder irreführender Informationen wird begünstigt.
  •  Inhalte die starke emotionale Reaktionen provozieren werden bevorzugt.
  •  Die Wahrscheinlichkeit mit Inhalten konfrontiert zu werden, die eigenen Ansichten widersprechen wird systematisch reduziert. (vgl. ebd. S. 6ff.)
  • Geschwindigkeit im Austausch sorgt für mehr Quantität auf Kosten der Qualität. (vgl. ebd. S. 12)
  • Die Frage der Wahrheit spielt keine Rolle, da es auf Lautstärke und die damit einhergehende Macht durch Reichweite ankommt. (vgl. ebd. S. 13)

Vertrauen in etablierte Institutionen (Behörden, Medien) ist ein entscheidender Faktor für die Qualität einer demokratischen Gesellschaft, da sich in ihnen der Wille der Bevölkerung zeigen soll. Anstatt uns diese Institutionen anhand demokratischer Prozesse nutzbar zu machen, verlieren wir das Vertrauen in diese. Dieser Vertrauensverlust entsteht auch durch den Blick auf unsere Institutionen anhand von Facebook. Anstatt das Vertrauen in die Institutionen der demokratischen Selbstbestimmung zu unterstützen, wird dieses unterlaufen. Dass im gleichen Zug das Vertrauen in die Dienste der Plattformanbieter Facebook und Google wächst (vgl. ebd. S. 15) ist nur folgerichtig, da Vertrauen nur auf der Grundlage von vertrauenswürdigen Informationen infrage gestellt werden kann. Es ist bezeichnend, dass diese Firma aufgrund der mangelnden Konkurrenz in einem völlig luftleeren Raum schwebt, wenn es darum geht, Praktiken auf der Grundlage von Konkurrenzdruck zu hinterfragen.

Daher ist der Hinweis auf die fehlende Bildung des Mark Zuckerberg aufschlussreich (vgl. ebd. S. 27ff.), weil sich daran der Unterschied zwischen Kultur und Technik zeigt. Ein technisches Verständnis von Gesellschaft führt zu der Annahme, man müsse Widersprüche eliminieren um eine offene Gesellschaft zu produzieren.4 Die Widersprüche, der Streit, die Auseinandersetzung sind jedoch das, wodurch Gesellschaft zusammenfindet. Dass einer Gesellschaft nichts Gutes widerfährt, wenn die Voraussetzungen für einen solchen Austausch reduziert werden liegt in der Natur der Sache. Das Ziel von Facebook hat nur eine Chance erfüllt zu werden, wenn die Form nicht mehr von Facebook und dessen wirtschaftlichen Interessen gesteuert wird. Anders gesagt: Facebook kann nur ohne Facebook funktionieren.

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  1. Siva Vaidhyanathan, Anti-Social Media. How Facebook Disconnects Us and Undermines Democracy. New York: Oxford University Press, 2018
  2. Aus Gründen der Einfachheit wird der Begriff der Sprache verwendet. Gemeint sind jedoch alle Bedingungen einer Situation, in der der ein störungsfreier Austausch von Informationen stattfindet
  3. Keine leichte Aufgabe mit Sicherheit. Bereits Adorno bemängelt das Fehlen eines „Niemandslands des Geistes“ um sich in der Debatte mit Popper von den Prämissen der Logik lösen zu können.
  4. Produzieren darf hier im strikt maschinellen Sinne verstanden werden.

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Kommentare

2 Antworten zu „Facebook als Teil von jener Kraft, die stets die Einheit will und stets nur Zwiespalt schafft?“

  1. Avatar von D. Reldein

    Interessante Sache, finde cool, womit du dich auseinander setzt.
    Viel Erfolg weiter beim Studium.
    Viele Grüße ausm Raum Heidelberg,
    ein anonymer Instagram-Follower

    1. Avatar von Jakob Wiesinger
      Jakob Wiesinger

      Vielen Dank fürs Vorbeischauen und das nette Feedback.
      Beste Grüße aus Bamberg,
      Jakob

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